Tai-Chi

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Tai-Chi kann bedeuten das höchste Letzte, das Absolute oder Balken, der das Dach des Hauses trägt. Es handelt sich um eine exakt festgelegte Abfolge ineinander übergehender Körperbewegungen in Zeitlupentempo und vereint Medizin, Kampfkunst und Taoismus. Tai-Chi gehört zu den Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
Da die Techniken des Tai-Chi in den vergangenen Jahrhunderten jeweils nur in taoistischen Klöstern geübt beziehungsweise innerhalb von Familien weitergegeben wurden, ist die genaue Herkunft ungewiss. Man vermutet den Ursprung der chinesischen Bewegungslehre Tai-Chi in der Tang-Dynastie (618907 n. Chr.) oder aber Mönche entwickelten im 17. Jahrhundert die waffenlose Kampfkunst. Einer anderen Legende zufolge soll Tai-Chi im 13. Jahrhundert von einem taoistischen Mönch erfunden worden sein, nachdem dieser einen Kampf zwischen einem Kranich und einer Schlange beobachtet hatte.
Heute wird die Technik, die seit den 1980er-Jahren auch im Westen immer mehr Anhänger findet, von der chinesischen Regierung als vorbeugende Gesundheitsmassnahme gefördert. Als Volkssport ist Tai-Chi in den Parks der Städte vor allem in den Morgenstunden beliebt.
Grundlage des Tai-Chi sind die Theorien und Prinzipien der TCM. Dazu gehören unter anderem das Prinzip des Yin und Yang und die Lehre von den Meridianen.
Die TCM sieht den Menschen als ganzheitliches Wesen, das in die Natur und das System des Yin und Yang eingebunden ist. Yin und Yang stehen für gegensätzliche, aber sich auch ergänzende Kräfte oder Energieformen, die immer in Wechselbeziehung zueinander stehen wie zum Beispiel Tag und Nacht, Erde und Himmel oder Kälte und Wärme. Dabei handelt es sich jedoch nicht um starre, sondern um wandelbare, ineinander übergehende, sich gegenseitig bedingende Zustände: Der Tag wird zur Nacht, und ohne den Tag gäbe es keine Definition der Nacht. Nach dem System des Yin und Yang werden nicht nur Naturphänomene kategorisiert, sondern auch der menschliche Organismus. Yang-Organe sind zum Beispiel Gallenblase, Dünn- und Dickdarm, Magen und Harnblase. Zu den Yin-Organen" gehören Leber, Herz, Milz, Lungen und Nieren. Da Sezieren und Obduzieren in China bis ins 20. Jahrhundert hinein tabu waren, gab es in der TCM lange Zeit nur eine ungefähre Vorstellung von der Lage und der Funktion der Organe. Der Begriff Organ bezeichnet in der TCM deshalb immer einen ganzen Funktionskreis: Zur Lunge gehört nicht nur die Lunge selbst, sondern auch die Riechorgane und die gesamte Atemfunktion.
Das dynamische Wechselspiel von Yin und Yang bringt die Lebensenergie der Natur, das Qi hervor. Qi ist die Grundlage alles Lebendigen und bildet auch die Lebensenergie des menschlichen Körpers. Die Lebensenergie fliesst in Energie-Leitbahnen, den sogenannten Meridianen, durch den Körper und hat viele verschiedene Funktionen: Qi schützt den Körper vor Erkrankungen, fördert Wachstum und Entwicklung, regt die Funktion der inneren Organe an, bildet und verteilt Blut und Körpersäfte, steuert die Körpertemperatur und reguliert den Wasserhaushalt und die Verdauung. Zusammen mit der Essenz (Jing), dem Blut (Xue) und den Körpersäften gehört Qi zu den Grundsubstanzen, die die materielle und funktionelle Grundlage des Körpers bilden. Auch die vier Grundsubstanzen werden durch die Polaritäten Yin und Yang beeinflusst und gesteuert.
Befinden sich die Yin- und Yang-Elemente im Körper in einem dynamischen Gleichgewicht, kann die Lebensenergie Qi ungehindert den Körper durchfliessen  der Mensch ist gesund. Krankheiten entstehen, wenn die Harmonie des Yin-/Yang-Systems gestört ist und daraus Blockierungen und Stauungen der Lebensenergie resultieren. Krankheiten können beispielsweise ausgelöst werden durch äussere, klimatische Einflüsse wie Hitze, Kälte oder Wind, sowie durch innere, emotionale Faktoren wie Ärger, Freude, Angst oder Sorgen. Weitere Krankheitsursachen können Ernährungsfehler, Überanstrengung oder Verletzungen sein.
Tai-Chi basiert auf diesen philosophischen Grundsätzen und zielt darauf ab, das Bewusstsein für den eigenen Körper und die eigene Mitte zu stärken. Die Methode, die im Westen auch als Schattenboxen bezeichnet wird, ist eine Kombination aus Bewegungen, Atmung, Konzentration und Meditation. Durch die Bewegungsabläufe soll der Fluss der Lebensenergie Qi stimuliert, die Selbstheilungskraft des Körpers angeregt und der Geist beruhigt werden.
Tai-Chi ist gekennzeichnet durch eine Abfolge sanfter, fliessender Bewegungen im Zeitlupentempo, die sich als Gebärden des Angriffs, des Rückzugs oder der Verteidigung interpretieren lassen. Dabei werden wellenförmig kreisende Bewegungen, die entweder auf dem Yin- oder auf dem Yang-Prinzip beruhen, abwechselnd aneinandergereiht. Yin-Bewegungen haben einen eher zurückweichenden Charakter mit Armbewegungen, die nach unten und innen gerichtet sind. Bei einer Yang-Bewegung orientiert sich der Körper nach vorne und die Arme werden nach oben und aussen geführt. Dazu kommen fünf Grundbewegungen: Vor- und Zurückgehen, nach links und nach rechts blicken und das Zentrieren des Gleichgewichts. Die Bewegungen werden von Atem- und Konzentrationsübungen begleitet.
Es existieren verschiedene Tai-Chi-Schulen, die sich hinsichtlich der Zahl an Übungen unterscheiden. So werden zum Beispiel bei der langen Form des Yang-Stils (der Yang-Schule) 108 einzelne Haltungen und Bewegungen ausgeführt. Diese aktivieren das gesamte Meridiansystem des Körpers.